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Muslime und Christen im interreligiösen Dialog

Selbst ins Handeln kommen

Angesichts der zahlreichen Krisenherde reagieren viele Menschen mit Angst, Hilflosigkeit, Trauer, Enttäuschung, Rückzug. Gleichzeitig werden Menschen aktiv: Sie demonstrieren für die Rechte und die Zukunft aller Menschen. Oder sie engagieren sich ehrenamtlich. Sinn stiften, Solidarität, Zusammenhalt – das sind für viele Menschen Schlüsselerfahrungen, die ihnen helfen, mit Krisen umzugehen.

Nach der Thematisierung aktueller Krisenherde in Fach- und Impulsvorträgen sowie in Workshops stand für die Teilnehmenden daher vor allem die Frage im Mittelpunkt, wie sie mit diesen oft als übermächtig empfundenen Krisen umgehen können. Eine der wichtigsten Antworten: Selbst ins Handeln kommen, denn ein wesentlicher Aspekt von Krisenbewältigung ist, sich selbst als wirksam erleben zu können. Muslimische und christliche Initiativen haben ihre Projekte vorgestellt und von ihren praktischen Erfahrungen berichtet – zum Beispiel »Türöffner«, ein Projekt der Caritas: »Türöffner« bietet ein neues Konzept für ehrenamtliche Besuchsdienste, bei dem die Besuchten ihre Wünsche und Hilfsbedarfe formulieren, so dass es den ehrenamtlichen Besucher:innen möglich ist, entsprechend ihren eigenen Talenten und Vorstellungen den Kontakt aufzunehmen.

Interreligiös – und noch viel mehr

Im Zentrum der Tagung steht natürlich die Begegnung zwischen Muslimen und evangelischen und katholischen Christen. Einführungen in die Spiritualität der jeweils anderen Religion und der Ökumenische Pfingstgottesdienst mit anschließenden interreligiösen Gesprächen zum Tagungsthema sind fester Bestandteil. Die Tagung ist interreligiös, zweifellos – aber sie ist noch viel mehr:

Die große Stärke der Christlich-Islamischen Tagung am Pfingstfest liegt darin, dass auch Menschen, die religiös nicht oder nicht eindeutig verortet sind, hier etwas für sich suchen und auch finden können. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer verbindet, dass sie in spirituellen Suchbewegungen sind, für die die Tagung einen sehr weiten, offenen Raum bereitstellt. Es sind insbesondere die spirituellen Elemente, die die Teilnehmenden verbinden und die Berührungspunkte schaffen. Ein Beispiel: Zu den von muslimischer Seite angeleiteten Sufi-Meditationen sind ausdrücklich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer eingeladen. Wer möchte, setzt sich dazu, ist einfach dabei – und erlebt. Durch diese Offenheit für den spirituellen Charakter entsteht eine Kontaktfläche, und zwar nicht in erster Linie zwischen Religionen, sondern – auf einer viel grundsätzlicheren Ebene – einfach zwischen Menschen.

Menschen, die sich hier begegnen...

Bei der Christlich-Islamischen Tagung am Pfingstfest begegnen sich die unterschiedlichsten Menschen: Für einen Teil von ihnen ist eine religiös plurale Welt bereits Alltag: Sie leben in einer interreligiösen Familie oder bewegen sich in einem Umfeld, wo das Miteinander verschiedener Religionen selbstverständlich ist. Andere sind nicht definiert christlich, muslimisch oder überhaupt religiös verortet, haben aber ein ehrliches Interesse daran, die Spiritualität und das Denken dieser beiden Religionen kennenzulernen und auszuprobieren. Alle eint wohl, dass sie Menschen sind, die sich aus einer eigenen Suchbewegung heraus auf andere zu bewegen und für die Suchen und Fragen spannender ist als das Finden. Menschen, die sich hier begegnen, sind auf der Suche nach Horizonten, die weiter und offener sind als die, die sie in ihren bisherigen eigenen Erfahrungsräumen gefunden haben.

Interreligiöser Dialog in Haus Ohrbeck

Das sechsköpfige christlich-muslimische Organisationsteam hatte in diesem Jahr erstmals nach Haus Ohrbeck eingeladen, wo die Tagung unter der Leitung von Dr. Josef Könning, Referent in Haus Ohrbeck, ihre Premiere hatte. Die Neuorientierung war notwendig geworden, weil das bisherige Tagungshaus, die Evangelische Jugendbildungsstätte Nordwalde, Ende 2022 geschlossen wurde. Wir freuen uns sehr, dass wir mit der Christlich-Islamischen Tagung am Pfingstfest und der Internationalen Jüdisch-Christlichen Bibelwoche jährlich nun zwei Veranstaltungen zum Interreligiösen Dialog bei uns im Haus begrüßen dürfen!